ESSAY-BRIEF

Essay-Brief Oktober 2023

Unsere Welt eine Illusion? Teil 1

© Bernd Helge Fritsch

 

Maya, die Göttin der Illusion

Im indischen Hinduismus wird seit Jahrtausenden die Göttin Maya als Mutter aller irdischen Erscheinungen verehrt. Sie gilt als Symbol für die große Täuschung, die durch unser Denken bewirkt wird.

Die Maya lässt im Bewusstsein des Menschen die Illusion einer wundersamen Vielfalt von Erscheinungen entstehen. Zugleich wirft sie damit einen Schleier über das Wahre, über die allumfassende Einheit, die auch „Gott“ genannt wird. Die eigentliche Aufgabe des Menschen besteht nun darin, hinter diesen Schleier zu blicken und so die unendliche Weisheit und Vollkommenheit des „Einen“ jenseits der dualen Erscheinungswelt zu realisieren.

Wir erreichen dies indem wir vorerst unser bisheriges Selbst- und Welt-Bild in Frage stellen und sodann unser wahres Wesen erkunden. Wir befreien uns von der üblichen Vorstellung ein, durch unserem Körper begrenztes, Einzelwesen zu sein. Sodann erkennen wir uns als höchstes Sein, als reines Bewusstsein und anhaltende Glückseligkeit (Sanskrit „Sat, Chit, Ananda“).

 

Alle Welt – besteht aus Vorstellungen unseres Verstandes

Illusionen bestimmen unser gewohntes Bewusstsein. Es gibt für dieses Bewusstsein nichts, was nicht Maya (Täuschung, Illusion) ist. Anders gesagt, alle Welt die wir wahrnehmen, besteht nur aus Vorstellungen (Einbildungen) unseres Verstandes.

 

Alles, das Universum, die Welt, dein Körper, deine Ängste, deine Probleme, dein Glück, alles woran du denken kannst, alles, was deine Sinne wahrnehmen, sind Manifestationen deines Verstandes.

Robert Adams – Stille des Herzens – Teil 2, S. 51

 

Im Wachbewusstsein werden wir fortlaufend vom Strom unserer Gedanken gesteuert. Gewöhnlich ist uns dieses unkontrollierte, pausenlose Denken nicht bewusst. Doch es genügt schon der Versuch für einige Minuten Nichts zu denken, um dies zu erkennen.

 

Wir werden gedacht

Unser ungezügeltes Denken hat fatale Auswirkungen auf unser Seelenleben. Es verursacht alle unsere Ängste, Sorgen und Probleme. Wollen wir davon befreit werden, ist es notwendig unser Innenleben möglichst den ganzen Tag über sorgfältig zu beobachten.

Dabei zeigt sich, dass wir normaler Weise nicht selbst unsere Gedanken bestimmen, sondern dass diese meist ungefragt in unserem Bewusstsein auftauchen. Wir bemerken wie uns diese Gedanken, insbesondere wenn sie mit Emotionen verbunden sind, richtig verfolgen.

Was ergibt sich daraus? – Die Erkenntnis, die unser Ego gar nicht gerne hört:

Wir sind nicht der Denker, sondern wir werden gedacht!“

 

So ist es nur die halbe Wahrheit, wenn gesagt wird: „Der Mensch denkt, Gott lenkt“. Gott – das universelle Bewusstsein – lenkt nicht nur alle Geschehnisse in der Welt, sondern lässt auch unsere Gedanken erscheinen!

Gedanken tauchen auf, ob wir wollen oder nicht. Nur durch bewusstes „Nicht-Denken“, wenn wir uns angewöhnen immer wieder in die gedankliche Stille zu gehen, können wir uns von zwanghaften, von unserem Schicksal vorprogrammierten Gedanken nach und nach befreien.

Üblicherweise identifizieren wir uns mit dem Inhalt unserer Gedanken und sind kaum bereit unser Denken in Frage zu stellen. Deshalb fühlen sich Menschen oftmals angegriffen, wenn ihre Meinung bezweifelt oder kritisiert wird und reagieren dementsprechend. Was wiederum zu Missstimmungen und Konflikten führt.

 

Die Welt ein Schauspiel

Weise Menschen, die das Schauspiel des Lebens durchschaut haben, vergleichen gerne die Welt, wie sie unserem gewöhnlichen Bewusstsein erscheint, mit einem Kino-Film. Bei einer Filmvorführung werden Bilder mittels Lichtstrahlen auf eine Leinwand projiziert. Diese Bilder, in Verbindung mit Tönen aus einem Lautsprecher täuschen ein Geschehen vor, welches sich nicht wirklich zuträgt. Doch der Zuschauer fühlt sich in eine andere Welt versetzt. Diese „existiert“ für ihn solange, wie er „mitspielt“ – das heißt sich darauf einlässt – oder solange die Filmvorführung andauert.

Wirklich „real“ bei einem Kinobesuch sind der Kinosaal, die Kino-Leinwand, der Filmprojektor und was sonst noch an Objekten für eine Film-Vorführung erforderlich ist. Allerdings, während der Film über die Leinwand flimmert, existieren all diese Dinge nicht für den Kinobesucher. Denn er schenkt ihnen keine Beachtung. Was er wahrnimmt, sind nicht die realen Gegenstände im Kino-Saal, sondern er verliert sich in das Filmgeschehen, in eine Illusion. Sein Bewusstsein ist hingegeben an die Handlung im Film. Erst wenn die Filmvorführung beendet ist, kehrt der Kinobesucher wieder in die für ihn normale, anscheinend „wirkliche Welt“ zurück.

 

Jeder Mensch „erdenkt“ sich seine eigene Welt

Wenn uns ein Film gefällt, egal ob wir ihn im Kino oder im Fernseher anschauen, genießen wir die Illusion in die wir dabei versetzt werden. Doch im Hintergrund bleibt uns stets bewusst, dass wir nur eine Fiktion, ein Schauspiel erleben.

Dieses Bewusstsein fehlt dem Menschen, wenn er im Alltag glaubt, mit einer „realen“ Welt konfrontiert zu sein. Dieses „Nicht-Wissen“ oder „Falsch-Wissen“, ist die Ursache aller Probleme und Leiden der Menschheit.

Wir leben normalerweise in einer Welt, die wir unbewusst durch unsere Gedanken selbst erschaffen haben. Es gilt:

Wie wir über die Welt denken, so erscheint sie uns!

 

Wie wir alle wissen, lebt der Pessimist in einer anderen Welt als der Optimist. Krankheit und Tod haben eine andere Bedeutung für Menschen, die sich mit ihrem Körper identifizieren als für jene, die ihr wahres, unsterbliches Wesen erkannt haben.

So wie durch die Licht-Strahlen eines Filmprojektors auf der Kino-Leinwand eine Phantasie-Welt entsteht, so erscheint für jeden Menschen seine eigene Welt durch seine „Gedanken-Bilder“, die er auf die „Leinwand“ seines Bewusstseins projiziert.

Daher entspricht unsere Umgebung, die wir gewöhnlich wahrnehmen, einer Täuschung, die wir mit einer Fata-Morgana vergleichen können. Bekanntlich spiegelt sich bei diesem Phänomen der blaue Himmel in der heißen Luft über dem Wüstensand und ruft so beim Betrachter die Illusion von Wasser hervor. Dabei sind nur die heiße Luft und die Spiegelung des blauen Himmels real. Hingegen existiert das Wasser, welches wir vermeintlich wahrnehmen, nur als eine Illusion.

In diesem Sinne gaukeln uns auch unsere Sinneswahrnehmungen und Gedanken eine Welt vor, die so nicht vorhanden ist, wie wir sie normalerweise interpretieren.

 

Träume und Schäume

Wie leicht wir zu täuschen sind und wie leicht eine Phantasie-Welt in unserem Bewusstsein entstehen kann, zeigt sich auch, wenn wir im Schlaf in eine Traumwelt eintauchen. Während wir einen Traum erleben, stellen wir die „Wirklichkeit“, die wir vermeintlich wahrnehmen, nicht in Frage. Während wir träumen, kommen wir niemals auf die Idee, dass wir uns dabei in einer selbst erschaffenen Phantasie-Welt befinden. Erst wenn wir aus dem Schlaf erwachen, kommt die Erkenntnis: „Ach, das war ja bloß ein Traum!“

Dasselbe gilt für unseren anscheinend „normalen“ Wach-Zustand. Fast alle Menschen gehen davon aus, dass sie mit Hilfe ihrer Sinne und ihres Denkens die „reale Welt“ wahrnehmen. Solange wir nicht „aufwachen“ indem wir unsere gewohnten Wahrnehmungen als Illusion durchschauen, sind wir von ihrer „Wirklichkeit“ zutiefst überzeugt.

Verständlicher Weise fällt es uns sehr schwer, uns mit der Behauptung anzufreunden, dass all unsere Wahrnehmungen und Erfahrungen auf Illusionen beruhen. Wir fragen uns „Wie kann es sein, dass alle Menschen in derselben Illusion gefangen sind und dass sich nur ganz wenige von ihrem Irrglauben befreien können?“

 

Unser vorgegebenes Wahrnehmungs-Programm

Im Reich der Maya sind alle Pflanzen- und Tiergattungen und auch die Gattung Mensch von Geburt an mit einer speziellen Art ausgestattet, die sie umgebende Welt wahrzunehmen und darauf zu reagieren. So zum Beispiel lebt eine Fledermaus, die nachtaktiv ist und sich vorwiegend mit Ultraschall-Tönen orientiert, die sie aussendet und wieder empfängt, in einer für uns Menschen kaum vorstellbaren, eigenen Welt.

Ganz anders sieht die Welt aus für eine Schmetterlings-Raupe, die sich nach einer kurzen Lebensphase, in der Fressen von Pflanzen ihre Hauptbeschäftigung ist, verpuppt. Sodann verwandelt sie sich in einen Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flattert um Nektar zu saugen…

Oder stell dir vor, du bist ein Fisch, für den die Welt nur aus Wasser und den Erscheinungen in diesem Wasser besteht!

All diese Tiere-Gattungen kennen die Welt nur auf jene Weise, wie sie von einer höheren Kraft programmiert sind ihre Umgebung wahrzunehmen und darauf optimal zu reagieren.

Dasselbe gilt für die Gattung Mensch. Diese ist vorprogrammiert ihre Umgebung auf „menschliche Weise“ wahrzunehmen. Die Sicht des Menschen auf die Welt und seine damit verbundenen Gefühle werden vorzugsweise von seinem Denken gesteuert.

Besonders charakteristisch für sein Wahrnehmungs- und Denk- Programm sind sein Unterscheiden zwischen „Gut und Böse“, zwischen „Ursache und Wirkung“ und sein Glaube an „Raum und Zeit“.

Sein Denken ist vorwiegend mit „Ich“ und „Mein“ beschäftigt, denn im Zentrum seines Denkens wirkt sein Ego. Dieses wiederum ist geprägt von Ängsten, Sorgen und Begehren und so fort.

 

Freiheit der Entscheidung?

Wenn wir Menschen – wie zuvor ausgeführt – „gedacht werden“ und in bestimmter Weise vorprogrammiert sind, die uns umgebende Welt wahrzunehmen, stellt sich die Frage: „Haben wir überhaupt eine Entwicklungs- und Entscheidungs- Freiheit? Ist nicht all unser Denken und Wirken durch die Gattung, der wir angehören, und durch das individuelle Karma vorherbestimmt?

Die Antwort lautet: Wir sind weder reine Gattungs-Wesen, noch reine Individualitäten. Sondern wir sind im Grunde unserer Seele „Eins“ mit allem Sein.

 

„Ich und der Vater sind eins!“ 10,30 Joh.

 

Und die Freiheit, die wir haben, besteht darin uns dieser Einheit mit dem „Vater“ bewusst zu werden.

In der Regel leben die Menschen beherrscht von ihren Vorstellungen und Gedanken. Doch, wie wir bei entsprechender Einsicht erfahren, hat unser eigentliches Wesen nichts zu tun mit den durch unser Denken verursachten Problemen, hat nichts zu tun mit Leid und Vergänglichkeit. Im Grunde unseres Herzens sind wir unsterbliche Vollkommenheit, Liebe und Glückseligkeit.

Wie wir dies mit spielerischer Leichtigkeit realisieren können, soll in den nächsten Essay-Briefen aufgezeigt werden.

Mit herzlichem Gruß

Bernd

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